Expedition

Der Grottenblitz von Hintertux

2015

Die Münder der Adventure Club of Europe-Mitglieder standen sperrangelweit offen, als Professor Falco Wagner von der Universität Innsbruck seinen Bericht beendet hatte. Niemand vor ihm hatte es bis dahin geschafft, das Geheimnis der sagenumwobenen Kristall- und Diamantgrotte zu lüften.

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Bereits vor einigen Jahren fanden wir Werkzeuge, Klingen und Pfeilspitzen aus
Bergkristall in der Region Hintertux, die eindeutig in die Zeit der ersten Neandertaler
weisen“,

 

erzählte Wagner mit vibrierender Stimme.

 

„In Jahrtausende alten Überlieferungen hatte ich von dem Mythos gehört. Man erzählte sich, dass die Pforte zu einer anderen Welt aufgestoßen worden war – eine Welt voll magischer Wesen, Kristalle und Diamanten, die so zahlreich vorhanden sein sollten, dass man das Bernsteinzimmer damit hätte füllen können. Doch die Menschen
waren bald zu gierig geworden. Der Raubbau nahm zu und die Strafe der Götter ließ nicht lange auf sich warten: Ein Blitz schlug in das Bergmassiv ein und die wenigen, die wussten, wo der Eingang der Grotte war, schienen verflucht und verloren ihr Leben unter mysteriösen Umständen. Ich suchte lange. Ich bereiste die Alpen vom Ligurischen Meer bis zum Pannonischen Becken. Doch erst die vielen Funde der Kristallartefakte brachten mich auf die richtige Spur.“

 

 

Von Innsbruck aus machte er sich auf die Suche, immer wieder erklomm er die Alpen und musste mehrmals von seiner Frau Hedwig mit Obstbränden, heißem Tee und Germknödeln wieder auf Betriebstemperatur gebracht werden. In seinem Tagebuch schreibt er:

 

Am Morgen des 4. Januar kraxelte ich die Hintertuxer Alpen hinauf. Ich traute meinen Augen kaum, als ich die Felsspalte sah, kaum breiter als ein menschlicher Körper. Ein bläulicher Schimmer drang aus dem Inneren und ließ den Enzian ringsumher noch intensiver erglühen! Die Diamantgrotte lag endlich vor mir, meine Suche hatte ein Ende. Es gab keinen Zweifel! Geröll und Felsbrocken hatten den Eingang zur Grotte verschüttet. Ein Blitz hatte hier vor Jahrhunderten eingeschlagen!“

 

Mühsam zwängte er sich ins Innere und erblickte das Unglaubliche!

 

Zum Glück war ich von den vielen Wanderungen schon abgemagert wie ein Supermodel, sodass ich mich mühelos durch die Spalte hindurchzwängen konnte! Mitten in der blauen Grotte stand eine alte Dampflok mit einer Lore, die rauchte und quoll und die mich wie magisch an sich band. Kaum war ich nähergetreten, hatte den
Rumpf berührt und mich auf das Dach geschwungen, da brauste und blitzte es um mich her, dass ich Mühe hatte, nicht fortgerissen zu werden. Obwohl ich kaum die Hand vor Augen sah, war es, als öffnete sich vor mir eine neue Dimension, mit Dingen so fremd und gleichzeitig vertraut, dass ich vergaß wer ich war. Ich rauschte an Bord der Maschine durch das Parallele, denn das war es, Gottlob! Nichts war mehr so, wie ich es kannte! Als ich die Kristalle und Diamanten berührte, die den blauen Schimmer erzeugten, erblickte ich Wesen und Formen, die ich niemals zuvor gesehen hatte. Endlich wusste ich, nun war ich am Ziel! Der Blitzeinschlag musste auch die Lore in Mitleidenschaft gezogen haben! Das göttliche Feuer übertrug sich und öffnete die Nebenwelt…

Doch das Erstaunlichste sollte noch kommen: Als ich mich nach einer kurzen Brotzeit erneut auf die Lore schwang, erblickte ich neue Dinge, die meine Sinne berauschten! Die Lore hatte nicht nur die Macht, mich in eine andere Welt zu entführen, es gab gleich mehrere Parallelwelten, in die ich mit dem magischen Gefährt reisen konnte. Es lässt sich kaum beschreiben, wie vielseitig mein Leben dadurch wurde! Ein einziger Quell an Inspiration und Abenteuer! Mein Leben lang hatte ich verzweifelt die Welt nach einem Beweis für die Legende bereist und direkt hier im Inneren der Alpen lagen
mir unzählige neue Welten zu Füßen. Und ich hatte sie gefunden!“

 

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