Expedition

Der Yeti von Bhutan

1951

Es war Mitternacht im Mai 1951, da erreichte der international bekannte Bergsteiger und geschätztes Adventure Club of Europe-Mitglied Richard Steinwinkler eine abgelegene Hochebene im Himalaya. Seine Expedition: Die Besteigung des Achttausenders Kula Kangri ohne Flaschensauerstoff und Begleitung.

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Ich hielt Ausschau nach einer geeigneten Stelle um Rast zu machen, als ich plötzlich im Augenwinkel eine große Gestalt hinter einem Vorsprung verschwinden sah“,

beschreibt Steinwinkler den Moment, der ihn inne halten ließ.

Unwillkürlich dachte ich sofort: Der Yeti. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich sicherlich bereits 10 oder 15 Mal den hochasiatischen Raum bereist und bei keinem meiner Besuche irgendein glaubhaftes Indiz dafür gefunden, dass der Schneemensch tatsächlich existiert. Um ehrlich zu sein: Ich hielt die Vorstellung eines Yetis für ein ausgemachtes Hirngespinst. Und doch – in diesem Moment – wusste ich, dass ich hier nicht zur Ruhe kommen würde. Also bewegte ich mich leise und vorsichtig auf den Vorsprung zu, hinter dem ich das Wesen wahrgenommen hatte.“

 

Steinwinkler, der im Jahr zuvor zum Bergsteiger Europas gekürt worden war, beschreibt die Momente, nachdem er um den Vorsprung herumgelaufen war, als zunächst ernüchternd.

Weit und breit war nichts zu sehen und langsam ging mein Puls wieder herunter. Ich hätte wohl alles für Einbildung gehalten, wäre nicht im nächsten Moment eine riesenhafte Fußspur im Lehm vor mir aufgetaucht.“

 

Nachdem er zunächst eine Fotografie des Fußabdrucks aufnahm, verfolgte Steinwinkler die Fußspuren des Wesens über Stunden hinweg, ehe er zu einem Abhang gelangte und auf eine weitere Hochebene blickte.

 

Und dann sah ich ihn. Über 50 Meter weit weg, etwa vier Meter groß, lief er auf zwei Beinen umher und war nur auszumachen, solange er in Bewegung war. Stand er still, verschmolz seine Silhouette mit den aufgetürmten Steinen links und rechts von ihm.

Expedition Yeti

Mein einziger Gedanke war: Hoffentlich bemerkt er mich nicht. All die Neugier, all die Euphorie war auf einmal weg. Da war nur ehrfürchtige Angst. Mit zittrigen Fingern griff ich zu meinem Fotoapparat und nahm mehrere Fotografien auf. Dann schlich ich langsam zurück. Das war meine erste und letzte Begegnung mit dem Yeti.“

 

Seine Entdeckung brachte dem anerkannten Bergsteiger in den folgenden Jahren viel Spott ein, immer wieder wurde die Echtheit seiner Fotografien bezweifelt. Richard Steinwinkler versteht dies bis heute nicht.

 

Ich weiß, dass es den Yeti gibt. Doch ich sage nicht, dass es das Fabelwesen ist, von dem die Menschen schon seit Jahrtausenden erzählen. Vielleicht ist es eine völlig unbekannte Tierart. Etwas affenartiges oder etwas bärenartiges. Ich halte es für naiv, zu denken, wir Menschen hätten schon alles entdeckt, was da draußen ist.“

 

Vier Jahre später, am 8. August 1955, wurde ein weiteres Kapitel der Yeti-Geschichte geschrieben. Von einem nepalesischen Freund, der unbekannt bleiben möchte, erhielt Richard Steinwinkler auf einer seiner Reisen ein erstaunliches Geschenk: Den angeblichen Skalp des Yetis, geborgen aus einem verlassenen Kloster in Tibet.

 

Ich war zuerst skeptisch, ob ich dieses Geschenk annehmen sollte: Entweder der Skalp war gefälscht und ich veröffentliche einen Betrug – oder der Skalp war echt und gehörte einem Tier – vielleicht dem Yeti – das dafür womöglich gejagt und getötet worden war. Der Gedanke, der Yeti könnte am Ende auf der Abschussliste von Wilderern stehen, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Dennoch entschied ich mich, den Skalp anzunehmen und dem Adventure Club of Europe zur Verfügung zu stellen.“

 

Bis heute kann der vermeintliche Skalp des Yetis im Clubhaus des ACE bewundert werden. 1999 kam eine DNA-Analyse der Haare zu dem Ergebnis, dass der Skalp keiner bekannten Tierart zugeordnet werden kann.

 

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