Expedition

Die geheimnisvolle Medusa-Statue

1905

„Und diejenigen, die dein Antlitz erblicken, mögen sie auf der Stelle zu Stein erstarren.“
– Athene zu Medusa, griech. Mythologie

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Es war der Morgen des 5. Mai 1905, als ein Brief von Anna von Blom, einer niederländischen Gräzistin und Archäologin, für ungläubige Aufregung im Adventure Club of Europe (ACE) sorgte.

Geschätzte Ehrenmänner und Ehrenfrauen,

soeben glaube ich, das gefunden zu haben, wonach ich und meine Mitstreiter schon Jahre lang suchten. Der bisher größte Beweis für die Existenz der bekanntesten aller Gorgonen, der Medusa. In Stein erstarrt, das Gesicht zu einer grässlichen Fratze verzogen, legten wir heute morgen eine gar gespenstische Statue aus Stein frei.

Mit Hilfe der Einheimischen konnte die Gestalt aus einem verschütteten Tempel nahe Marrakesch am Fuße des Atlas-Gebirges geborgen werden. Das Gewicht unvorstellbar, der Stein von einer makellosen Substanz. Die Hände noch schützend vor das Gesicht haltend, passt sie genau auf die Beschreibungen des Hesios und Aischylos. Ich sage Ihnen: In dieser Statue steckt ein Mensch, zu Stein erstarrt durch den Anblick der Medusa.

Expedition Medusa

Ich jubiliere innerlich, Ihnen bald meinen Fund präsentieren zu können.

Hochachtungsvoll,

AvB“

Noch bevor Anna von Blom nach Europa zurückkehrte, entspann sich eine heiße Diskussion um ihre Entdeckung. Während die Zeitungen sich weigerten, die unglaubliche Behauptung der Archäologin abzudrucken, fanden sich innerhalb des Adventure Club of Europe schnell Unterstützer zusammen, die Anna von Blom einen Kontakt zum deutschen Physiker Wilhelm Conrad Röntgen ermöglichen wollten. Dieser hatte wenige Jahre zuvor die sogenannten X-Strahlen entdeckt, mit denen es möglich war, solide Gegenstände zu durchleuchten. Damit sollte das Innerste der Statue sichtbar gemacht werden. Röntgen, vier Jahre zuvor als erster Physiker mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, weigerte sich zunächst, diesem zweifelhaften Gesuch nachzukommen, entschied sich dann jedoch, von Bloms Behauptung mit Hilfe seines Röntgenapparats öffentlichkeitswirksam zu widerlegen.

Als Anna von Blom im Juli 1905 schließlich mit der Statue in Röntgens Labor eintraf, war die Spannung groß. Mitglieder des ACE und ausgewählte Archäologen warteten gespannt auf das Ergebnis, das W. C. Röntgen Augenzeugen zufolge zunächst jedoch nur widerwillig präsentierte.

Walter Altmann, ehemaliges Mitglied des ACE, beschreibt die Momente nach dem Anblick des Röntgenbildes als im wahrsten Wortsinne „atemberaubend“.

Niemand sagte nur ein Wort. Der ein oder andere vergaß gar, Luft zu holen“,

heißt es in seinen Tagebüchern.

Auf dem Bild war eine Skelettkontur erschienen. Sogar die Schatten der unterschiedlichen Organe waren abgebildet.“

Schließlich soll Anna von Blom selbst das Schweigen mit folgenden Worten gebrochen haben:
„Ich habe es euch doch gesagt.“

Nun, da selbst ein renommierter Physiker Anna von Bloms Theorie neues Futter gab, ließen auch die Schlagzeilen der Presse nicht lange auf sich warten. Im Sommer 1905 war die „Medusa-Statue“, die man auf ein Alter von ca. 2700 Jahre datieren konnte, Thema in ganz Europa und Amerika.

Die Mehrheit der Wissenschaftler ging jedoch davon aus, dass es sich, ähnlich zu den Gipsmodellen der Pompeji-Toten, um das Opfer eines Vulkanausbruchs handelte, dessen Knochen und Innereien unter einer Ascheschicht begraben und konserviert wurden. Später, so mutmaßte man in diesen Fachkreisen, habe wohl ein zweiter Vulkanausbruch den menschenförmigen Hohlraum unter der Asche mit flüssigem Basalt gefüllt.

Anna von Blom, überzeugt davon, dass ein Großteil der griechischen Mythologie auf wahrer Historie basierte, widersprach ihren Kritikern vehement. Es sei kein Zufall, dass die Statue im Atlas-Gebirge gefunden worden sei – sei doch das Gebirge selbst dem Mythos zufolge durch die Versteinerung des Titanen Atlas‘ entstanden. Für vulkanisches Ergussgestein sei die Oberfläche der Statue zudem viel zu fein und die Dichte zu massiv.

Nach ihrem Tod im Jahre 1931 vermachte Anna von Blom die Statue dem ACE.Inzwischen bestätigten Forschungen, dass zur Zeit der Entstehung der Statue kein Erdbeben in der Umgebung des Atlas-Gebriges stattfand.

 

Heute im Besitz des Adventure Club of Europe:

Artefakte:

  • Statue

Fotos:

  • Röntgenaufnahmen der Statue
  • Fotos vom Treffen zwischen Anna von Blom und Wilhelm Conrad Röntgen

 

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