Ruprecht Ludwig Ernst Moritz Freiherr von Boecklin zu Boecklinsau

Mitglied von 1910 – 1955

Es ist nicht viel bekannt über die private Seite des letzten Grundherrn von Rust, Ruprecht Freiherr von Boecklin zu Boecklinsau. Trotz seiner herausragenden Position in der lokalen Gemeinschaft scheute er die Ruster Öffentlichkeit. Er galt als Mann weniger Worte, der einen starken Gerechtigkeitssinn in sich trug.

Eine der wenigen bekannten Leidenschaften Ruprechts war die Jagd. Allerdings begehrte er keine Trophäen aus exotischen Ländern – wie es zu dieser Zeit in adeligen Kreisen üblich war – nein, er verschrieb sich dem Erhalt von Flora und Fauna und ging einer einfachen Jägertätigkeit nach. Aus Überzeugung – nicht aus einer finanziellen Notwendigkeit.

Fleißig und gewissenhaft verfolgte er diesen Weg bereits in jungen Jahren und womöglich wäre sein Leben in dieser Genügsamkeit weitergegangen, hätte es nicht die eine sagenumwobene Nacht im Jahr 1908 gegeben, die sein Leben ändern sollte und ihn letztlich zu dem Jäger machte, der Jahre später Geschichte im Adventure Club of Europe schreiben sollte.

Die Sonne war schon einige Stunden untergegangen und ich horchte im Hochsitz dem Grillenspiel unseres schönen Waldes und bewunderte die Glühwürmchen im hellen Vollmondlicht. Da flog plötzlich ein Schatten am Mond vorbei, der die silberne Scheibe für einen Moment gänzlich verdunkelte. Ich erschrak, blickte hinauf und was ich sah, war unvorstellbar. Ein Vogel, womöglich ein Rabe, von riesenhafter Größe flog über mir in Richtung Rust. Seine Spannweite betrug sicherlich fünf oder sechs Meter und damit fast doppelt so viel wie die des größten bekannten Vogels unserer Zeit – dem Wanderalbatros. Mit zittrigen Knien hastete ich die Leiter des Hochsitzes hinab und lief dem Ungetüm nach.

– Aus dem Tagebuch von Ruprecht Freiherr von Boecklin zu Boecklinsau

Ruprecht folgte dem riesigen Raben bis ins Dorf, wo er ihn zu seinem Schock auf dem Dach des örtlichen Kinderheims sitzen sah. Er berichtete, dass der Vogel mit seinem Greiffuß das Dachfenster zertrümmerte und eines der schreienden Kinder herauszog. Sofort eröffnete Ruprecht das Feuer. Er schoss dem Raben zwei Mal in die Seite, ehe dieser von dem Kind abließ und sich Ruprecht zuwandte. Ein dritter Schuss traf den linken Flügel des Ungeheuers, das daraufhin Reißaus nahm und für immer in der dunklen Nacht verschwand.

Ruprecht setzte sich ein Lebensziel: Er wollte dieses Ungetüm jagen und von den Menschen fernhalten. Von 1909 an reiste er durch Baden und den Schwarzwald und jagte mit Hilfe der Beschreibung der Einheimischen die Kreatur an unterschiedlichsten Orten, bis er sie vermutlich tötete.

Dieser Einsatz – um nicht zu sagen: Heldenmut – brachte ihm im Jahr 1910 die Mitgliedschaft im ACE ein, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1955 ein geschätzter und gern gesehener Kollege war.

Der Tod des riesigen Raben konnte jedoch nie bestätigt werden, was Ruprecht insbesondere innerhalb Süddeutschlands viele Kritiker und Zweifler einbrachte. Die wenigen, die ihm glaubten, vermuteten, dass der Rabe in jener Nacht verblutet war, andere unter ihnen munkelten, er habe sich lediglich tief in den Schwarzwald verzogen. Schnell wurde der Rabe zudem in Verbindung mit der Sagengestalt des Nachtkrabbs gebracht, was den Kritikern wiederum ein Beweis dafür war, dass alles der blühenden Fantasie des Freiherrs entsprungen sein musste. Ruprecht selbst äußerte sich zu all den Anschuldigungen und Vermutungen bis zu seinem Tode nicht.

Er war eben ein Mann weniger Worte – und großer Taten.